27.06.2006
Morgan Stanley IM: Marktreport Juni 2006
Köln, den 27.06.2006 (Investmentfonds.de) -
Nach einer langen Zeit mit äußerst geringer Volatilität und freundlichen Märkten
mussten die Kapitalmärkte im Mai ihre erste größere Korrektur hinnehmen. Es kam zu
einem allgemeinen Rückzug aus riskanten Anlagen. Im Vergleich zuhistorischen Standards
war die Situation jedoch keineswegs dramatisch.
Dennoch lenkte die jüngste Schwäche das Augenmerk wieder auf die wichtigsten Fragen
für Aktien und Anleihen: die künftige Entwicklung der Inflation, der Geldpolitik und des
Wirtschaftswachstums. Wir haben tatsächlich eine lange Zeit extrem geringer Volatilität
hinter uns und dies ist ein Phänomen, das nicht nur die Aktienmärkte betrifft. Auch
andere Anlagekategorien haben sich ungewöhnlich ruhig verhalten. Mit einer gewissen Zunahme
der Volatilität musste immer gerechnet werden. Dass diese mit fallenden Aktienmärkten
einherging, war ebenfalls keine Überraschung. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Anstieg der
Volatilität eine Rückkehr zu dem Niveau der Schwankungen darstellt, die gewöhnlich mit
Aktien assoziiert wird, oder ob eine Erholung der Aktienkurse die Zunahme der Volatilität
eindämmen kann. Der Handel mit der steigenden Volatilität wurde für eine Verstärkung der
Talfahrt an den Aktienmärkten verantwortlich gemacht, da die Absicherung von Varianz-Swaps
angeblich zu einem weiteren Verkaufsdruck führte.
Die mögliche Ursache für die Korrektur könnte die Aussage der US-Notenbank gewesen sein,
dass die Zinsen abhängig von den weiteren Inflationsdaten eventuell weiter steigen könnten.
Dies wurde als Signal für eine weitere geldpolitische Straffung und eine möglicherweise
noch stärkere Verlangsamung der US-Wirtschaft aufgefasst, die wiederum negativ für die
Gewinne und damit auch die Aktien wäre. Die Inflations- und Zinsängste geben an sich zwar
eine plausible Erklärung ab, die Reaktion des Treasury-Marktes steht jedoch im Widerspruch
dazu. Als die Aktien zu rutschen begannen, gaben die Anleihenrenditen ebenfalls nach.
Die Rendite der 10-jährigen US-Schatzanleihen sank von rund 5,2% auf nahezu 5,0%, was sich
kaum mit höheren Inflationserwartungen begründen lässt. Die Rohstoffpreise waren infolge
der Inflations- und Abkühlungsängste ebenfalls volatiler. Insbesondere stachen heftige
Schwankungen der Preise für Industriemetalle ins Auge. Aber auch hier fehlte eine
schlüssige Erklärung für Rally am Rentenmarkt und die Verkaufswelle bei den Aktien. Das
einzig konstante Thema des Monats war vermutlich die Tieferbewertung riskanter Anlagen
und eine selektive Flucht in die Qualität. Aktien aus Emerging Markets traf es sogar
noch härter als Titel aus Industrieländern. Sie mussten in aller Welt hohe zweistellige
Einbußen hinnehmen, die mit einer Talfahrt ihrer Währungen einhergingen. Brasilien, Mexiko,
die Türkei, Indien, Südafrika und Indonesien büßten im Mai in US-Dollar gerechnet über 10%
ein. Die Spreads auf Schuldtitel aus Schwellenländern blieben praktisch unverändert. Der
geringe Umfang der Ausweitung der Spreads war im Vergleich zu den massiven Einbußen an den
Aktienmärkten eherunbedeutend.
Die Gefahr einer neuen Schwellenmarktkrise ist immer noch gering. Dies liegt hauptsächlich
daran, dass Zentralbanken in vielen Schwellenländern eine ordentliche „Kriegskasse“ von
US-Dollars angesammelt haben, mit der sie ihre Währungen verteidigen können, wenn es
notwendig werden sollte. Die Ansammlung von Devisenreserven geht weiter, auch wenn das
Tempo immer noch geringer ist als im Jahr 2004. Wie bereits in den letzten Monaten
festgestellt und von der US-Notenbank in ihren jüngsten Mitteilungen bekräftigt, wird die
weitere Entwicklung entscheidend von den Inflationsdaten abhängen. Ein Überschießen der
Inflation und ein Gefühl, dass die US-Notenbank die Straffung zu lange aufgeschoben hat,
könnte bedeuten, dass die kurzfristigen Zinsen bis zum Ende des Jahres möglicherweise bis
auf 6% ansteigen und eine schwerwiegendere Verlangsamung in der Wirtschaft zu befürchten
ist. Wir sind jedoch grundsätzlich der Ansicht, dass die US-Notenbank die Leitzinsen
weiter anheben wird, dabei die Wirtschaft jedoch nicht so stark untergräbt, dass eine
Rezession folgen würde. Im Zuge der Abkühlung der Wirtschaft werden die Gewinne unter
Druck geraten. Da die Bewertungen aber nicht übermäßig hoch sind, bleiben wir in unseren
Portfolios übergewichtet. Unserer Ansicht nach sind die derzeitigen Turbulenzen an den
Aktienmärkten eher eine Korrektur als der Beginn einer neuen Baisse. Darüber hinaus
betrachten wir dies mehr als eine Korrektur in einem einigermaßen gesunden Marktumfeld
denn als überfällige Entwicklung. Die Diskussionen über die Inflation boten den Märkten
lediglich einen günstigen Vorwand für die Verkaufswelle. Es liegt auf der Hand, dass unsere
Prognosen entscheidend von den Daten der kommenden Monate abhängen. Wenn die Inflation in
den USA steigen sollte, müssen wir unsere Position überdenken. Im Augenblick halten wir
jedoch an unseren übergewichteten Positionen in Aktien fest und bevorzugen nach wie vor
Emerging Markets und Asien. Die langfristigen Anleihenrenditen in den USA dürften unter
Aufwärtsdruck bleiben.
Quelle: Investmentfonds.de