30.03.2012
Fidelity Marktkommentar: BRICS-Gipfel – Südafrika für Anleger am spannendsten
Köln, den 30.03.2012 (Investmentfonds.de) - Morgen treffen sich die Regierungschefs
von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zum 4. BRICS-Gipfel in Neu-Delhi.
Für Anleger bieten die BRICS-Staaten ein gemischtes Bild. Während Indien aktuell mit
Vorsicht zu genießen ist, besitzen China und Südafrika großes Potenzial. Welche
Chancen und welche Risiken in den BRICS-Staaten auf Investoren warten, erklärt Nick
Price, der für Fidelity Worldwide Investment verschiedene Schwellenländer-Fonds mit
einem Volumen von 5,4 Milliarden Euro managt:
"Brasilien, Russland, Indien und China sind wichtige und wachstumsstarke
Schwellenländer. Allerdings bieten andere Emerging Markets zum Teil interessantere
Chancen. Viele Unternehmen investieren große Summen in neue Produktionsstätten
in den BRIC-Staaten, angelockt vom starken Wirtschaftswachstum. Dabei setzen die
meisten Unternehmen jedoch eher auf Umsatzwachstum als auf Gewinne und Cash-flow.
Die Praxis in den BRIC-Staaten hat gezeigt, dass das dem Unternehmenswert Schaden
kann. Es kommt daher darauf an, in die besten Unternehmen zu investieren, egal
ob sie aus Brasilien, Russland, Indien und China kommen oder aus anderen
Schwellenländern. Aber natürlich bleibt die Verschiebung des weltweiten
Bruttoinlandsprodukts zugunsten der BRIC-Staaten ein bestimmender Trend.
Heute erwirtschaften sie rund 25 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts,
bis zum Jahr 2050 werden es voraussichtlich rund 40 Prozent sein. Das führt
dazu, dass ein großer Teil der Bevölkerung dieser Staaten in eine konsumfreudige
Mittelschicht aufsteigt. In der Folge wird der Binnenkonsum der BRIC-Staaten
den der Eurozone voraussichtlich ab dem Jahr 2013 und den US-Konsum ab 2023
übertreffen. Der Konsum in den Schwellenländern wird in den nächsten 20 Jahren
ein wesentlicher Treiber der Weltwirtschaft. Dabei rücken künftig vermehrt
andere Staaten in den Fokus, beispielsweise Südafrika, das 2010 als 'Tor zum
afrikanischen Kontinent' in die Riege der vormaligen BRIC-Staaten aufgenommen
wurde. Zwar hat sich Südafrikas Wirtschaft von der Rezession Anfang 2008 nur
langsam erholt, der dortige Aktienmarkt hat sich jedoch im Vergleich zu den
anderen BRICS-Staaten mit Abstand am besten entwickelt.
So sieht die Zukunft der brasilianischen Wirtschaft zwar grundsätzlich positiv
aus. Allerdings wird der dortige Aktienmarkt von Rohstoffen dominiert. Da der
Preis für Eisenerz aufgrund von Überproduktion, sinkender Nachfrage und der
Erschließung neuer Fördergebiete voraussichtlich deutlich sinken wird, birgt
diese Branche ein Risiko für die brasilianische Wirtschaft. Zudem hat die Stärke
des Real zwei Seiten: Einerseits können sich die Brasilianer dank ihrer starken
Währung preiswerte Importwaren aus Asien leisten, andererseits leidet die
Wettbewerbsfähigkeit des produzierenden Gewerbes. Aktuell ist zu erwarten,
dass Regierung und Notenbank das Wachstum mit monetären und fiskalischen
Maßnahmen stimulieren werden. Als Folge wird die Arbeitslosenquote in der
nächsten Zeit voraussichtlich relativ niedrig bleiben, was für den Binnenkonsum
wichtig ist. Er zeigt sich auch aufgrund steigender Reallöhne und sinkender
Zinsen robust.
Obwohl der russische Aktienmarkt aufgrund innenpolitischer Aspekte in diesem
Jahr zu einer gewissen Volatilität neigen könnte, stehen die Chancen auf eine
insgesamt positive Marktentwicklung sehr gut. Erstens sind russische Aktien
aktuell niedrig bewertet, zweitens wächst das Bruttoinlandsprodukt dank eines
starken Binnenkonsums kräftig, und drittens profitiert das Land vom hohen Ölpreis.
Russland steht gewissermaßen stellvertretend für den Ölpreis, insbesondere
wegen der vielen Exchange Traded Funds (ETFs) auf Öl. Im Übrigen sind die
Aktien der russischen Rohstoffunternehmen deutlich günstiger bewertet als
die der brasilianischen Konkurrenz. Aber obwohl die russischen Ölunternehmen
sich in diesem Jahr bislang gut entwickelt haben, sind die Banken, die indirekt
vom Ölpreis profitieren, die wahren Gewinner der letzten Monate. Der russische
Markt birgt jedoch auch ein Risiko: Obwohl Putin und Medwedew nach wie vor eine
relativ große Popularität im Land besitzen, wird der Widerstand gegen sie heftiger
und das Regime damit anfälliger für die politischen Folgen eines wirtschaftlichen
Abschwungs, sollte er kommen.
Die Wirtschaft Indiens steht aktuell vor drei großen Herausforderungen: der
schwachen Infrastruktur, der hohen Inflation und der mangelnden Kraft der
Regierung, nötige Reformen anzutreiben. Eine weitere Bürde ist die Entwicklung
des Binnenkonsums, der fast zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht.
Denn die privaten Haushalte leiden unter einem großen Kostendruck, nicht zuletzt
aufgrund der hohen Inflationsrate, so dass der Ausblick für den Konsum getrübt
ist. Auch das schwächelnde Exportwachstum und die langsame Ausweitung des Kredit-
volumens sind ein Zeichen für die schwierige aktuelle Lage der indischen Wirtschaft
und des Aktienmarktes. Er ist im Vergleich zu anderen Schwellenländern relativ
hoch bewertet und leidet unter einer kleinen, illiquiden Börse. Zwar wird die
indische Wirtschaft im laufenden Jahr vermutlich ein wenig Fahrt aufnehmen, da
die Zentralbank anfängt, die Zinsen zu senken. Insgesamt gilt für Investoren in
Indien jedoch, dass es aktuell zwar einige interessante Branchen gibt - beispiels-
weise die pharmazeutische Industrie - insgesamt in nächster Zeit jedoch Zurückhaltung
angebracht ist.
Ganz anders sieht der chinesische Markt aus: Er befindet sich gerade in einer
interessanten Phase, da er sich weiter von seiner Exportabhängigkeit befreit.
Unabhängig davon, ob das Wirtschaftswachstum sich wie von der Regierung geplant
etwas abkühlt oder nicht, gibt es in China viele günstig bewertete Aktien. Die
Regierung verfolgt das klare Ziel, den Wohlstand in der breiten Bevölkerung zu
erhöhen. Dazu hat sie unter anderem den Mindestlohn im Land in den letzten zwei
Jahren um rund 20 Prozent erhöht. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden
die Löhne wahrscheinlich um rund 10 bis 15 Prozent steigen und so die Nachfrage
nach Massenkonsumgütern befeuern. Interessante Branchen reichen vom rasant
wachsenden chinesischen Internetmarkt bis hin zu einfachen Konsumgütern, die
insbesondere in den mittelgroßen Städten des Landes immer stärker nachgefragt
werden.
Südafrikas Bedeutung liegt vor allem in seiner Rolle als Tor zum afrikanischen
Kontinent. Für Investoren ist diese Rolle des Landes sehr wichtig, denn zahlreiche
südafrikanische Unternehmen aus der Konsumbranche sind in vielen afrikanischen
Ländern aktiv. Damit profitieren sie von einem der wenigen Wachstumsmärkte, der
noch deutlich unterbewertet ist. Für Anleger ebenfalls nicht zu unterschätzen,
sind der im Vergleich zu anderen Schwellenländern relative hohe Grad an Transparenz
und eine etablierte Corporate Governance. Zudem ist Afrika südlich des Äquators
praktisch nicht von der Kreditkrise in der westlichen Welt betroffen und profitiert
von einer rasch voranschreitenden Industrialisierung. So kann der Kontinent, von
einer niedrigen Ausgangsbasis startend, mit hohen Wachstumsraten punkten. Und zu
guter Letzt besitzen die afrikanischen Länder eine große und sehr junge Bevölkerung.
Das eröffnet dem Kontinent nicht nur enorme Chancen auf wachsenden Binnenkonsum,
sondern auch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber den Industrienationen."
Quelle: Investmentfonds.de